Die Leipziger Straße im Zentrum Berlins ist so breit wie eine Autobahn. Eine Architektin wollte das ändern. Gerade noch verhinderte die Berliner Verwaltung die fahrradunfreundliche Umgestaltung. Das Urbanist Magazin berichtet über die Hintergründe.
Die Leipziger Straße in Berlin gilt mit seinen bis zu sechs Spuren als Paradies für Radfahrer. So berichtet Torsten R. (31), Radfahrer, strahlend gegenüber dem Urbanisten: »Auf der Leipziger Straße kann ich endlich mal die anderen Radfahrer überholen. Wo sonst in Berlin hat man als Radfahrer so viele Spuren zur Verfügung? Auch meinem Sohn gefällt es hier. Er kann auf seinem Dreirad endlich neben mir fahren, so viel Platz gibt es.«
Auch Lorenz D. (33), Radfahrer, hat viel Freude beim Radfahren auf der Leipziger Straße. Vor einigen Tagen kam er ganz besonders herzlich mit einem anderen Verkehrsteilnehmer in Kontakt. »So viel Interaktion mit anderen Verkehrsteilnehmern hat man in Berlin ansonsten ja selten. Das werde ich so schnell nicht vergessen.« (Berliner Morgenpost: Autofahrer schlägt Radfahrer mit Schlagstock bewusstlos)
Beinahe wäre der Radfahrspaß jedoch zu einem jähen Ende gekommen: Eine schamlose Architektin schlug vor, einige Spuren zu streichen, um neuen Wohnraum zu schaffen. Doch diesen Plänen stellte sich die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mutig in den Weg: Gerade noch rechtzeitig stellte sie fest, dass eine Wegnahme der Spuren eine »Verschlechterung für [den] Öffentlichen Nahverkehr und [den] Radverkehr darstellt«. (Tagesspiegel: Wohnen im Penthouse auf der Leipziger Straße)
Mit dieser couragierten Entscheidung zeigt die Senatsverwaltung einmal mehr, wie sehr ihr die Radverkehrsförderung und der Nahverkehr ihrer Stadt am Herzen liegt. »Wir tun alles dafür, dass der Radverkehr in Berlin gefördert wird, wir sind schließlich alle Radverkehrsbeauftragte. Jeder weiß, dass breite Straßen für Radfahrer besonders attraktiv sind. Wir freuen uns, dass unser Einspruch zu Gunsten der Radfahrer auf positive Resonanz trifft«, berichtet Hans G. (64), Mitarbeiter der Senatsverwaltung. Besonders stolz sei er darauf, dass »wir von anderen Städten gelernt haben. Statt einfach den Entwurf abzulehnen, setzen wir auf die aus Hamburg erprobte Taktik, einen teuren Gegenentwurf aufzustellen, der aber niemals umgesetzt werden kann. Das funktioniert immer wieder.« (NDR: Neue U-Bahn-Linie in Hamburg geplant)
Das nächste Projekt sei auch bereits im Bau: die Erweiterung der A100 für knapp 500 Millionen Euro. Hans G. schwärmt: »Das wird das Radfahren in unserer Stadt auf eine ganz neue Stufe heben.« (Urbanist: Stau? Reißt die Stadtautobahn ab!) Sein Kollege Günther S. (61) merkt an, dass »die Stadt endlich auch finanziell zeigt, wie wichtig ihr der Radverkehr ist.« Denn der bisherige Radverkehrsetat von 4 Millionen Euro »war für eine Großstadt wie Berlin wirklich peinlich. Gut, dass wir mit der Erweiterung der A100 wenigstens ein großes Projekt für Radfahrer auf die Beine stellen konnten.« (Tagesspiegel: Teuerste Autobahn Deutschlands wird noch teurer)
Wer in Zukunft in dieser Stadt den Rückbau weiterer Straßen plant, dem kann der Widerspruch der Senatsverwaltung gewiss sein. Das Urbanist Magazin dankt der Senatsverwaltung für so viel Engagement für den Radverkehr. So viel Einsatz ist nicht selbstverständlich. In anderen Städten bringen Argumente wie Wohnraum, hohe Lebensqualität oder weniger Lärm die Verwaltung zum Einknicken, aber nicht so in Berlin. Hier wird dem Radverkehr höchste Priorität eingeräumt: auf bis zu sechs Spuren. (Urbanist: Fahrradfreundliche Sonnenallee und Hermannstraße? »Unrealistisch«)
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