Deutschland erlebt zur Zeit eine Welle des Terrorismus. Menschen zünden Flüchtlingsheime an, greifen auf offener Straße Menschen an, entwürdigen oder bedrohen sie und werfen Brandsätze in Wohnungen von Familien. Rechte Gewalttäter sind Terroristen, weil sie, wenn sie Flüchtlingsheime anzünden, eben nicht nur ein bestimmtes Flüchtlingsheim anzünden, sondern immer auch auf etwas Größeres zielen. Terrorismus, so steht es auf Wikipedia, ist eine »Kommunikationsstrategie«. Terroristen wollen »das Denken besetzen und dadurch Veränderungsprozesse erzwingen.« Besonders gewalttätige und widerwärtige Taten, vor allem, wenn sie gefilmt oder fotografiert werden, verbreiten sich schnell, bekommen eine hohe Aufmerksamkeit und bleiben im Gedächtnis. Damit schafft Terrorismus über die einzelne Tat hinaus ein Klima der Angst. Wenn diese Angst in (staatliches/politisches/gesellschaftliches) Handeln überführt wird, dann hat es der Terrorismus geschafft, die Gesellschaft zu verändern. 1992, als das letzte Mal im großen Ausmaß Flüchtlingsheime attackiert wurden, geschah genau das: Dem rechte Pöbel gelang es, (staatliches) Handeln zu beeinflussen. Als Folge wurde das Asylrecht massiv eingeschränkt.
Aber heute ist einiges anders als 1992. Glücklicherweise. Das muss immer wieder betont werden, um nicht die Botschaft des Terrorismus – »Deutschland ist fremdenfeindlich und wehrt sich gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge« – gewinnen zu lassen. Daher ist es für uns wichtig, auf die vielen Tatsachen hinzuweisen, die nicht in die Erzählung der Terroristen passen. Dazu gehört,
- dass es in Deutschland Bürgerentscheide für den Bau von Flüchtlingsunterkünften gibt;
- dass deutsche Politikerinnen und Politiker beschließen, keine Menschen aus Syrien mehr in andere EU-Staaten abzuschieben, wo diese laut Dublin-Abkommen eigentlich Asyl beantragen müssten. Und das, obwohl Deutschland mit Abstand die meisten Flüchtlinge in Europa aufnimmt: pro Monat so viele Menschen wie Großbritannien in einem Jahr;
- dass sich in Deutschland sehr viele Menschen für Flüchtlinge einsetzen und dass das Internet voll von Menschen ist, die klar machen, dass sie keine rechtsradikalen Meinungen tolerieren;
- dass auch in Orten wie Fußballstadien, in denen man das weniger erwarten würde, Solidarität mit Flüchtlingen praktiziert wird;
- dass sogar die schreckliche BILD sich deutlich gegen den Rechtsterrorismus stellt (verlinken wir dennoch nicht);
- dass sich Menschen den rechtsradikalen Ausschreitungen entgegenstellen, ob als Bürger oder Polizisten.
#Danke_Deutschland الالمان يستقبلون السورين بالورود شكرا من القلب لكل الشعب الالماني والحكومة المانية التي فتحت ابوابها بالابتاسامة والورود والمحبة بعكس كثير من دول العربية وشكرا من القلب للشعب الالمانيDie Deutschen begrüßen das syrische Volk mit Blumen. Dafür danken wir dem deutschen Volk und der Regierung von ganzem Herzen, dass sie ihre Türen für uns öffnen im Gegensatz zu den arabischen Ländern.
Posted by Talal Abk on Tuesday, August 25, 2015 (Link leider nicht mehr verfügbar)
All diese erfreulichen Nachrichten tauchen in der Berichterstattung zwar auf, aber werden leider häufig von Berichten über schreckliche rechte Gewalt überstimmt. Das ist genau das Ziel der Terroristen. Die erfreulichen Nachrichten wieder und wieder zu erwähnen, ist eine Möglichkeit, rechten Vollpfosten ein Bild von den Geschehnissen in Deutschland entgegenzusetzen, das es eben auch, und zwar glücklicherweise mehrheitlich, gibt. Keineswegs bedeutet dies, die Gefahr zu unterschätzen, die der Rechtsterrorismus darstellt. Selbstverständlich hat Deutschland ein großes Problem mit Neonazis. Das dürfte jedem halbwegs aufmerksamen Beobachter schon seit vielen Jahren bekannt sein, auch wenn es gerade besonders sichtbar wird. Darüber muss berichtet werden. Den Neonazis muss sich entgegengestellt werden, auf Demonstrationen, mit Anzeigen, mit Forderungen an die Politik, mit Gegenargumenten auf Facebook und Twitter. Aber dabei darf man nicht in die Falle der Terroristen tappen und ein Klima der Angst hinnehmen.
Coverfoto: Takver / Welcome refugees ballons – Refugee vigil Broadmeadows / Flickr / CC By-SA 2.0